Die Kindertrauerbegleitung der Malteser Hospizdienste ist bunt!
»Ich habe meiner Mama ein goldenes Schwert und eine besten Pokémon-Karten in den Sarg gelegt, damit sie sich im Himmel vor allem Bösen verteidigen kann«, berichtet der sechsjährige Luca* in der Kindertrauergruppe. »Aber wenn man tot ist, dann gibt es doch gar nichts Böses mehr, da gibt es auch den scheiß Krebs nicht mehr«, erwidert die siebenjährige Maja* und stampft auf den Boden. Für einen kurzen Moment ist es still. Viele Kinder, die zur Trauergruppe der Malteser Hospizdienste kommen, haben den Verlust eines Eltern- oder Großelternteils, eines Geschwisterkindes oder weiterer wichtiger Bezugspersonen erlebt. Doch auch andere Verlusten haben einen Raum. Der verstorbene Hund, das Wachkoma einer nahestehenden Person, Heimat- oder Freund*innenverluste: Das Thema »Tod« steht zwar im Fokus, ist jedoch lange nicht der einzige Grund, weshalb sich Kinder und ihre Angehörigen auf die Suche nach einer Trauerbegleitung machen.
Bei den Malteser Hospizdiensten St. Christophorus blickt die Kinder- und Jugendtrauerbegleitung auf eine langjährige Tradition zurück. Sie stellt neben dem ambulanten Erwachsenenhospizdienst, dem Kinder- und Jugendhospizdienst sowie der Trauerbegleitung für Erwachsene eine wesentliche Säule des Dienstes dar. Zertifizierte Trauerbegleiter*innen bieten während des Abschiednehmens von einer geliebten Personen und vor allem nach dem Verlust Unterstützung für die gesamte Familie an. Ehrenamtlich und hauptamtlich tätige Mitarbeiter*innen stehen für Einzel- und Kleingruppengespräche, im Rahmen von Familientrauerbegleitungen und Gruppenangeboten zur Verfügung. Konkret findet derzeit monatlich eine Trauergruppe für Kinder im Alter von fünf bis zehn Jahren sowie eine für alle Altersklassen offene Gruppe mit dem Schwerpunkt Bewegung statt. Letztere kam durch eine Kooperation mit dem Psychomotorischen Förderzentrum »FluVium« in der Dortmunder Nordstadt zustande und erfreut sich großer Beliebtheit bei den Kindern und Jugendlichen. Kein Wunder, denn neben individuellen Gesprächen mit Trauerbegleiter*innen darf viel getobt, gespielt und Dampf abgelassen werden. Manchmal braucht es in Momenten der Trauer genau das: den eigenen Gefühlen freien Lauf lassen, wilde Kissenschlachten – oder den Sprung in eine »Trauerpfütze«. Was darunter zu verstehen ist? Im Gegensatz zu vielen Erwachsenen trauern Kinder häufig auf sprunghafte Weise: Emotional intensive Momente der Traurigkeit können sich mit Spiel, Spaß und unbeschwerten Alltagsmomenten abwechseln. Kindliche Trauer zeichnet sich oftmals durch eine Wechselhaftigkeit ihrer Gefühlswelt aus. In eine (Trauer-) Pfütze kann man schnell hinein-, aber auch schnell wieder hinausspringen. Dies wird im Rahmen der Trauergruppe im FluVium besonders deutlich. Einige Kinder ziehen sich zwischenzeitlich zurück, suchen das Gespräch mit anderen Kindern oder den Trauerbegleiter*innen vor Ort, um sich anschließend wieder lautstark ins Getümmel zu stürzen. Es wird geweint, gelacht und getobt. Raum haben alle Gefühle.
Dies gilt auch für die Einzel- und Familienbegleitungen sowie die zweite Trauergruppe, die in den Räumlichkeiten der Malteser in der Amalienstraße stattfindet. Unterstützt durch kreative Methoden, gemeinschaftsstärkende und auf die individuellen Bedürfnisse der Kinder und Familien abgestimmte Aktivitäten wird ihnen die Möglichkeit gegeben, über ihre Verluste zu sprechen, sich ihren Gedanken und Gefühlen zuzuwenden, sie auszudrücken und ihre Fragen zu stellen. »Wie ist das eigentlich, wenn Mama tot ist? Ist das wie bei meinem Roboter, den ich nach dem Spielen ausschalte oder ist das so, wie wenn Mama in einem ganz langen Urlaub ist?«, fragte etwa der achtjährige Luis*, während er nachdenklich eine Gefühlsmonsterkarte (kleine, bunte Karten, auf denen verschiedene Gefühle durch unterschiedliche Monster dargestellt werden) in den Händen hielt. Luis wurde bereits vor dem Verlust seiner Mutter von einer Trauerbegleiterin begleitet. An manchen Tagen spielten die beiden zusammen, an anderen Tagen wollte Luis lange über den anstehenden Tod seiner Mutter sprechen. Es gab Tage, an denen sich eine Frage an die nächste reihte und solche, an denen er partout nicht über seine Sorgen und Gedanken sprechen wollte. Besonders intensive Momente erlebten sie gemeinsam mit Luis‘ Mutter. In ihren letzten Tagen schenkte sie ihrem Sohn wertvolle Erinnerungen, die ihm heute, in der Trauer, Kraft spenden.
Erinnerungen schaffen, die eigenen Gefühle wahrnehmen und zum Ausdruck bringen, Stärken und Ressourcen entdecken, sie mit anderen teilen und das eigene Wissen, den eigenen Horizont im Kontext existenzieller Fragen erweitern: Das sind die Grundpfeiler der Trauerarbeit, in der darüber hinaus auch Rituale und Symbole eine wichtige Rolle spielen können: In Einzelbegleitungen entwickeln sich oft spontan individuelle Rituale – etwa das Gedenken an die verstorbene Person, indem zu Beginn jedes Trauergesprächs eine Kissenschlacht auf dem Plan steht - »weil das mit meinem Bruder immer am allermeisten Spaß gemacht hat«, so die zehnjährige Clara*. Doch neben allem Spiel und Spaß sind es oft vor allem die stillen Momente, das gemeinsame Schweigen, das Hinsehen und Aushalten der teils überwältigenden Gefühle und der Raum, der offen ist für alles, was da ist, die den Prozess der Trauerbegleitung prägen: einen Weg mit Höhen und Tiefen, mit Herausforderungen und überraschenden Momenten, mit Zweifeln und Schmerzen und Freude. Wenn junge Menschen trauern und sich an Trauerbegleiter*innen wenden, hat all dies Raum. Gerade das, berichtet eine langjährige Trauerbegleiterin des Dienstes, mache die Trauerbegleitung so besonders: »Wir sind zuallererst erwachsene Begleiter*innen, denen junge Menschen als Expert*innen für ihre eigene Trauer gegenübersitzen; Menschen mit ganz individuellen Bedürfnissen, Erfahrungen, Hoffnungen und Sehnsüchten; Kinder, die neben all der Trauer oft auch viele schöne Erinnerungen an die verstorbene Person mit im Gepäck haben. Auch dieser Rucksack bleibt nicht in der Ecke stehen.
*Alle Namen wurden verändert.